Lungenkrebschirurgie mit dem OP-Roboter – Innovation und Routine

Prof. Dr. med. Peter Kleine
Prof. Dr. med. Peter Kleine, Sana Klinikum Offenbach, Starkenburgring 66, Offenbach am Main – Aufbau des daVinci-Systems, bestehend aus der Konsole und den 4 Roboterarmen.

Das Standardverfahren bei der operativen Behandlung von Lungenkrebserkrankungen ist die Entfernung des betroffenen Lungenlappens (Lobektomie) mit radikaler Entfernung der Lymphknotender betroffenen Seite (Lymphadenektomie), wobei traditionell ein offenes Verfahren – die Thorakotomie – als Zugangsweg diente.

Prof. Dr. med. Peter Kleine

Die minimal-invasiven Verfahren wie die Video-assistierte Thoraxchirurgie (VATS) erlangten in Deutschland eine zunehmende Verbreitung in der Lungenkrebschirurgie in den vergangenen 15 Jahren, während im angloamerikanischen Raum diese Technologie insbesondere in den frühen Tumorstadien I und II bereits seit längerer Zeit etabliert ist. In einer in den USA durchgeführten Analyse der Ergebnisse von über 6000 Patienten zeigte die VATS-Lobektomie deutliche Vorteile bezüglich der Beschwerden, des notwendigen Krankenhausaufenthalts und auch des Langzeitüberlebens gegenüber den offenen Operationen. Eine Weiterentwicklung dieser Technologie stellt die Roboterchirurgie dar, die noch schonendere Operationen auch in den höheren Tumorstadien ermöglicht.

Die ersten Erfahrungen mit der Roboter-unterstützten Lobektomie in Deutschland wurden 2012 durch mich am Universitätsklinikum Frankfurt gesammelt; aufgrund der Beweglichkeit der Instrumente und der 3D-Videotechnik gelang eine Weiterentwicklung gegenüber der Thorakoskopie. Als einziges System stand der daVinci-Roboter (Intuitive Surgical, Sunnyvale, CA, USA) zur Verfügung. Insofern bestehen mit diesem System bereits ausreichende Erfahrungen, sodass derzeit von einem Übergang von der Innovation zur Routine gesprochen werden kann.

Beschreibung des OP-Roboter-Systems

Die 4 Roboterarme des daVinci-Systems sind an einer gemeinsamen Basis aufgehängt.
Die 4 Roboterarme des daVinci-Systems sind an einer gemeinsamen Basis aufgehängt.

Der daVinci-Roboter besteht aus einer Konsole, an der der Operateur in entspannter Haltung sitzt, sowie bis zu vier Roboterarmen, die von der Konsole aus über zwei Joysticks gesteuert werden. Dabei dient ein Arm als Kamerahalterung für die 3D-Kamera, bei den Lungenoperationen werden zwei weitere Arme benötigt, die zu Beginn der Operation mit den beweglichen Instrumente versehen werden. Ein Assistent am OP-Tisch verfolgt die Operation und übernimmt Funktionen, die im Folgenden noch genauer beschrieben werden. Ein sogenannter Tremorfilter harmonisiert die Bewegungen der Instrumente, die mehr Freiheitsgrade als die menschliche Hand besitzen. So können mit großer Präzision die notwendigen Strukturen im Brustkorb dargestellt und versorgt werden. Die genaue Technik der Operation wird im Folgenden kurz zusammengefasst.

Die Operationstechnik der Roboter-unterstützten Lobektomie

linke oberen Lungenvene
Intraoperative Sicht bei der Freilegung der linken oberen Lungenvene. Die Freiheitsgrade der beweglichen Instrumente ermöglichen im Vergleich zur normalen Thorakoskopie ein gewebeschonendes Vorgehen.

Die Patienten werden in Seitenlage gelagert, der oben liegende Arm wird flach unter die Wange des Patienten geschoben, um die Bewegungsfreiheit der Roboterarme nicht zu behindern. Insgesamt werden drei kleine Hautschnitte von etwa 10 mm angelegt, einer für die Kamera und zwei weitere für die Instrumente. Der Operateur befindet sich an der Konsole getrennt vom OP-Tisch, der Assistent am OP-Tisch achtet auf die korrekte kollisionsfreie Funktion der Roboterarme, wechselt die Instrumente und bedient die Klammernahtgeräte. Zunächst erfolgt die Isolation des vom Lungenkrebs betroffenen Lungenlappens durch Versorgung der zuführenden Arterien, Venen sowie des Bronchus. Die Lymphknoten werden systematisch nach den Lymphknotenstationen präpariert und entfernt. Der Hilfsschnitt zur Bergung des Lungenlappens wird erst am Ende der Operation angelegt und nach Präparatbergung sofort wieder verschlossen.

Klinische Erfahrungen

Untersuchung Blutverlust Thoraxdrainage
Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung zum Blutverlust aus der eingelegten Thoraxdrainage (linke Abbildung), der in der Gruppe der daVinci-Patienten geringer war und damit die Drainagedauer um 1 Tag verkürzte (rechte Abbildung).

Die Roboter-Lobektomie mit dem daVinci-Roboter wurde während meiner Tätigkeit am Universitätsklinikum Frankfurt bei 125 Patienten durchgeführt. Die Radikalität der Operation entsprach den offenen Verfahren, der Krankenhausaufenthalt war mit einem Mittelwert von 4 Tagen deutlich niedriger als bei der offenen Operationen (7 Tage). Die Blutverlust war reduziert, auch die Schmerzsymptomatik war signifikant geringer, am 3. Tag verzichteten 94 % auf die Gabe von Opiaten, am 5. Tag verzichteten 88 % der Patienten auf alle Schmerzmittel. Eine Sterblichkeit während des Krankenhausaufenthalts trat nicht auf.

Internationale Daten zur Roboter-Lobektomie liegen insbesondere durch Publikationen aus den USA vor. In der größten Serie (2) wurden 325 Patienten ausgewertet. Die Anzahl schwerer klinischer Komplikation lag bei 3,7 %, der Krankenhausaufenthalt bei median 5 Tagen. Das 5-Jahres Überleben lag mit 80 % außergewöhnlich hoch für Operationen bei Lungenkrebserkrankungen, natürlich abhängig vom Tumorstadium zum Operationszeitpunkt.

Aktuell bin ich am Sana Klinikum Offenbach tätig, auch hier steht die Technologie mit dem daVinci-Roboter zur Verfügung, mit wachsender Erfahrung wird das schonende Verfahren zunehmend angewendet.

Zusammenfassung

Lungenbehandlung
Kosmetisches Ergebnis nach einer Roboter-Lobektomie: Der Kamerazugang würde für die Einlage der Drainage gewählt. Ansonsten finden sich zwei Mini-Inzisionen sowie der Hilfsschnitt zur Bergung des Präparates (links).

Die Verwendung von Operationsrobotern in der Lungenkrebschirurgie wurde in den vergangenen 10 Jahren auch in Deutschland etabliert und entwickelte sich bei Verwendung durch erfahrene Chirurgen inzwischen zur Routine, die andere minimal-invasive Verfahren weiterentwickelt hat. Die Sicht auf die Organe des Brustkorbs ist durch die modernen HD-Kamerasysteme exzellent. Der größte Vorteil des daVinci-Systems ist die Qualität der Instrumente, die eine präzise Operation auch in schwierigen anatomischen Situationen ermöglichen und alle Lymphknotenstationen sicher darstellbar machen. Durch den anatomisch günstigeren Hilfsschnitt im Vergleich zu den anderen minimal-invasiven Verfahren, der zudem nur für eine kurze Zeit eröffnet wird, ist eine noch raschere Schmerzfreiheit der Patienten möglich und auch in einer eigenen Untersuchung nachweisbar. Zudem ist das kosmetische Ergebnis aufgrund der Lokalisation der Hautschnitte ausgezeichnet. Hauptnachteil des Systems sind die entstehenden Kosten durch den Roboter und die Spezialinstrumente.

„Die bisher publizierten Fallzahlen und auch die eigenen Erfahrungen zeigen deutlich, dass die Roboter-Chirurgie insbesondere in den frühen Tumorstadien eine Weiterentwicklung darstellt und auch bereits ein Routineverfahren geworden ist“, fasst Prof. Kleine, Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie am Sana Klinikum Offenbach, seine Erfahrungen mit der Roboter-Lobektomie zusammen. Dennoch besteht weiterhin großer Raum für Innovationen, die insbesondere die Qualität der chirurgischen Instrumente als auch die Integration von künstlicher Intelligenz beinhalten sollten.

Welche Patienten sind für dieses Verfahren geeignet?

Patienten, bei denen eine Lungenkrebserkrankung diagnostiziert wurde und denen eine operative Entfernung angeraten wurde, sind prinzipiell für das neue Operationsverfahren geeignet. Auch Patienten, bei denen aufgrund eines auffälligen CT-Befundes (Lungenrundherd) der V. a. eine bösartige Erkrankung geäußert wurde, können mit dem Roboter-System behandelt werden. Nicht geeignet sind Patienten mit sehr großen Tumoren, die sich über die kleinen Schnitte nicht entfernen lassen.. Eine genaue Betrachtung der Befunde ist daher im Rahmen einer ambulanten Vorbereitungs-Sprechstunde zur Planung des Eingriffs notwendig.

Autor: Prof. Dr. med. Peter Kleine

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